Spänles Eingriff in die Abiturbenotung ist Ausdruck des kranken bayerischen Gymnasiums – geprägt von Schönfärberei, unmenschlichem Prüfungswahn und inkompetenten „Pädagogen“.
Brandbrief eines Vaters aus unserem Kreisverband
Nach zwei Leidenswochen für unsere Tochter (10. Klasse eines Gymnasiums) und für uns „Gymnasialeltern“ war ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung der Tropfen, der das Fass, voller Frustration, Wut und Hilflosigkeit, zum Überlaufen brachte. Das Kultusministerium habe sich buchstäblich in letzter Minute zur Korrektur genötigt gesehen und die Messlatte niedriger gehängt, steht da. Ein fränkischer Gymnasiallehrer wird zitiert mit den Worten, er und seine Kollegen hätten „ohnehin schon schön gefärbt, um den Schülern zu helfen“.
Die Schönfärberei bezieht er vermutlich auf die Noten, nicht auf den aschgrauen Gymnasialalltag, der dahinter steht und durch Noten und (fast) nichts als Noten geprägt ist. Noch weniger dürfte sich die „Korrektur“ des Kultusministeriums auf das bayrische Schulsystem, geschweige denn die Perle desselben, das Gymnasium beziehen. Dort korrigiert man/frau selbst, dass die Schwarte kracht und ist damit erhaben über Selbstkorrekturen. Und mit der Schönfärberei soll wieder mal – probates Mittel der Politik in den letzten Monaten, siehe CSU-Atompirouette – der gemeine Plebs, in diesem Fall die Gymnasialeltern, beschwichtigt, getäuscht und für dumm verkauft werden, so wie es z. T. mit ihren Kindern tagtäglich an den Schulen geschieht.
Bulimie-Lernen im Selektionswahn
Wie Schulkinder teilweise richtiggehend gepeinigt werden, möchte ich anhand einiger Beispiele, die für den Gymnasialalltag nicht untypisch sind, illustrieren. Die letzten und nächsten 5 Tage sahen bzw. sehen für unsere Tochter wie folgt aus:
- Mittwoch: Physik-Schulaufgabe
- Donnerstag, Feiertag, aber von wegen Feiern oder Ruhen: Lernen für die nächsten Prüfungen ist angesagt
- Freitag: Geografie-Ex
- Samstag und Sonntag: keine Entspannung, sondern Lernen für Montag und Dienstag
- Montag: Chemie-Schulaufgabe und Französisch-Referat
- Dienstag: Lernen für Mittwoch und Donnerstag
- Mittwoch: (sehr wahrscheinlich) Mathe-Ex
- Donnerstag: Spanisch-Schulaufgabe und Sozialkunde-Kurzreferat
- Freitag: Wirtschaft-Ex?
Ganz zu schweigen von den paar Fächern, die sonst noch auf dem Stundenplan stehen: Beste Voraussetzungen für Bulimie-Lernen: Reinfressen und rauskotzen und hinterher Schwamm drüber!
Kann man besser demotivieren?
Aber das ist leider nicht genug des Schlechten: Die umfassende und intensive Vorbereitung auf die Physikschulaufgabe, notwendiger Weise unterstützt mit Nachhilfe, Recherchen im Internet, anderen Physikbüchern und der Unterstützung der Schüler untereinander, da „eigenwilliger“ Unterrichtsaufbau und Lernstoffstrukturierung den Schülern sehr viel Eigeninitiative und Engagement abverlangen, wird „belohnt“ durch eine sauschwere Schulaufgabe, die im Übrigen noch für Schüler mit Schwerpunkt Naturwissenschaft (mindestens eine Stunde Physik mehr in der Woche) und die mit Schwerpunkt Sprachen die gleiche ist. Die „Sprachler“, die Physik ablegen werden, freuen sich über eine fünf, die dann auch im Abizeugnis erscheint. Mit welchem pädagogischen Ziel macht man so was? Oder anders gefragt: Kann man besser demotivieren?
Wenn ein Herr Schmidt vom Philologenverband in der Süddeutschen Zeitung dann vier Wochenstunden in den Kernfächern für zwingend nötig hält „um den Stoff fürs Abi ausreichend zu üben“, dann fragt man sich, warum plötzlich vor dem Abi so geübt werden soll, wenn sonst mehr oder weniger darauf gesch… wird.
Fließenleger-Meister hinter verschlossenen Türen
Und es ist noch nicht genug! Wie uns zu Ohren kam, ist auf Betreiben der Eltern einer Klasse ein Mathelehrer, den auch wir schon mit seiner traurigen Inkompetenz kennen gelernt haben, „ausgewechselt worden“. Er wird jetzt wahrscheinlich eine andere Klasse „unterrichten“, also weiter gereicht wie eine heiße Kartoffel. So ist das Problem also gelöst?
Diese typische Tragödie (für die „Lehrkraft“ einerseits und Schüler wie Eltern andererseits) ist insofern symptomatisch, als dahinter ein grundlegender Krankheitsherd offenbar wird. Es zählt nicht die Lehrkompetenz, sondern ob z. B. dieser Mensch auf dem Papier ein guter Mathematiker ist. Ob er den Lernstoff den Schülern vermitteln kann, steht auf einem anderen Blatt – welches natürlich nicht korrigiert wird! Was da am Gymnasium passiert, möchte ich mit folgendem Vergleich veranschaulichen: Ein Fliesenlegermeister legt Fliesen hinter verschlossener Tür, öffnet selbige, um das Werk den Schülern zu zeigen und ihnen dann zu sagen: „Macht’s genau so!“
Ihre Aufgabe, Herr Lehrer? „Selektieren“
Hinzu kommt, dass zur Stabilisierung des infolge ständigen Misserfolgs brüchigen Selbstwerts solche wirklich bedauernswerten Lehrmeister sich fast zwangsläufig der Projektion bedienen müssen: Die faulen, desinteressierten, nur im Internet surfenden Schüler sind verantwortlich. Und dementsprechend müssen ihnen entsprechende Schulaufgaben reingedrückt werden. Noch schlimmer, weil durchaus mit Bezug zu schwarz(-gelb) gefärbter Zielsetzung bayrischer Gymnasien ist, wenn an selbiger Schule vor wenigen Jahren ein für seinen desaströsen Matheunterricht berüchtigter Mensch (inzwischen treibt er sein Unwesen woanders) äußern konnte, er sei nicht da, „um zu fördern, sondern um zu selektieren“. Er konnte seine Unfähigkeit sogar mit seinem „Lehr?-Auftrag“ rechtfertigen!
Ein anderes Etikett reicht nicht
Als Vater und als Grüner, bin ich da ein wenig von dem Ausmaß enttäuscht, in dem sich die Grünen – so wie ich das bisher wahrgenommen habe – dieser Dauerbaustelle Gymnasium angenommen haben. Meines Erachtens reicht es wirklich nicht, durch Änderung der „Schulform“ das Etikett, nicht aber Grundlegenderes zu ändern. Wie ich die „Anstalt“, in der meine Kinder untergebracht sind, bezeichne, hat doch keine Bedeutung dafür,
- WER, d.h. welche Persönlichkeit (im psychologischen Sinn) mit welcher pädagogischen Ausbildung
- WAS, z. B. eine Liste deutscher Mittelgebirge (6. Klasse, zwei Wochen später wieder vergessen?!)
- WIE unterrichtet.
Mit Verlaub: Diese Fragen scheinen sich meines Wissens alle Parteien, auch die Grünen nicht ernsthaft und nachhaltig genug zu stellen und dementsprechend nach Antworten zu suchen! Da fühle ich mich in meinem fränkisch-grünen Gymnasialelternalltagsfrust reichlich allein gelassen. Angesichts der Jahrzehnte währenden Kernschmelze an bayrischen Gymnasien wären da vielleicht auch mal ein paar Mahnwachen oder Demos angesagt. Mein Wunsch: Mehr grüne Solidarität mit uns Eltern und Schülern des Gymnasiums und vor allem mit den wirklich guten Lehrern, die es – dem Himmel sei Dank – tatsächlich auch gibt und ohne deren Wirken nur noch Trostlosigkeit angesagt wäre.
Über ehrliche Rückmeldungen freue ich mich.
Thomas*
(*Name geändert)
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