Frauen- und Genderpolitik war das Motto der ersten Abgeordnetenfahrt von Uwe Kekeritz in diesem Jahr.
Eine bunt gemischte Gruppe – vom Grüne Jugend Mitglied bis hin zum Urgestein der Fürther Frauenbewegung – wollte sich informieren. Zu diesem Zweck besuchten wir Terre des Femmes, die Berliner Lesbenberatung, Susanne Klingner und Barbara Streidel von der Mädchenmannschaft, die Heinrich Böll Stiftung und natürlich Uwe Kekeritz.
Fragile Geschlechteridentitäten
Gleich nach der Ankunft waren wir im Gunda-Warner-Institut (GWI) der Heinrich Böll Stiftung zu Gast. Henning van Bargen und Gitti Hentschel deuteten mit einem Zitat des Stiftungsgründers auf die Fragilität von Geschlechterkonstruktionen hin:
[…] Ich bin natürlich, ich sage es kühn:
ich bin auch weiblich.
Entschuldige – ja, möglicherweise. (Heinrich Böll)
Das GWI will Geschlechterdemokratie und Feminismus zusammendenken. Neu im Vergleich zum bis 2007 bestehenden Feministischen Institut der HBS ist, dass nun auch Männerpolitiken in den Blick genommen werden. Henning von Bargen klärte uns gleich darüber auf: „Es gibt nicht DIE Männer. Jeder ist noch durch andere Faktoren wie sein Alter oder seine sexuelle Orientierung bestimmt“.
Dennoch sei es wichtig, dass sich Männer als Gruppe mit Themen wie „Männlichkeit und Krieg“ oder „Väterpolitik“ auseinandersetzten. Allerdings stufte van Bargen die aktuelle Diskussion um männliche Bildungsverlierer als eher unsachlich ein.
Gewalt fängt schon im Kleinen an
Ähnlich empfanden das die Vertreterinnen der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes (TDF), Kerstin Horak und Rebecca Bartusch. „Zeit- und energieraubend“ sei die Debatte. Sie lenke von den wahren Problemen ab. Das wahre Problem, das sei die Gewalt an Frauen. Männer sehen Bartusch und Horak in ihrer Arbeit zumeist unter der Täterperspektive. Dennoch lehnen sie eine pauschale Opfer-Zuschreibung für Frauen ab. Erfahrene Gewalt sei etwas externes und den Frauen nicht immanent. TDF spricht daher bewusst nicht von Opfern, sondern von Betroffenen. Oftmals, etwa bei Zwangsheirat, werde zudem keine physische Gewalt, sondern psychischer Druck ausgeübt. Von psychischem Druck erzählten auch die Referentinnen der Lesbenberatungsstelle Berlin, Claudia Apfelbacher und Rita Stüber. „Diskriminierung ist auch schon Gewalt“ erläuterte Apfelbacher.
Bis zu 8000 Personen im Jahr wenden sich mit Ausgrenzungserfahrungen an die Psychologinnen. Sie werden z.B. an ihrem Arbeitsplatz gemobbt und nur auf ihre sexuelle Orientierung reduziert. Die Beratungsstelle fühlt sich für Lesben und für Transsexuelle/-gender/-idente Personen zuständig. Zwar bietet das Allgemeine Gleichstellungsgesetz theoretisch die Möglichkeit seine Rechte einzuklagen. Allerdings mit einem Nachteil: Man muss wissen, aufgrund von welchem Merkmal man diskriminiert wird. Aber es gilt, wie auch Henning von Bargen feststellte: „Jeder Mensch ist durch Mehrfachidentitäten bestimmt.“ Somit wird es schwierig, das exakt zu bestimmen.

Frauen und Beruf
Wenn es um Karriere und Erfolg geht, scheint eine weibliche Sozialisation noch immer von Nachteil zu sein. Das zeigt der aktuelle Streit um die Quote in Aufsichtsräten. Die große Frage ist: Soll man sich an das „männliche“ System anpassen oder es verändern? Susanne Klingner und Barbara Streidel, Autorinnen des Buchs „Wir Alphamädchen“ wollen diese Frage gar nicht eindeutig beantworten. Gut sei es, eine Doppelstrategie zu fahren: Sich etwa männliches Redeverhalten wie eine zweite Fremdsprache anzueignen und bei Bedarf einzusetzen.
Klar sei auch: Weite Teile von Wirtschaft und Politik würden es gern bei dem jetzigen Zustand belassen: Frauen übernehmen größtenteils unentgeltlich Kinderbetreuung und Altenpflege. Auch Gitti Hentschel vom GWI hat sich mit dem Thema der „Care-Ökonomie“ beschäftigt: „Wenn sogenannte Frauenaufgaben einmal ausgelagert werden, dann auf MigrantInnen, die man billig beschäftigen kann.“ Aber kann die Emanzipation der weißen Mittelschichtsfrau so wirklich auf stabilen Füßen stehen?
Frauen in Entwicklungsländern
Von der verengten Sichtweise der ‚weißen Mittelschichtsfrau‘ weg führte die Diskussion mit MdB Uwe Kekeritz im Bundestag. „Frauen sind das Rückgrat der Gesellschaft in Entwicklungsländern“, so Kekeritz. Entwicklungshilfe nicht auch auf Frauen auszurichten, sei daher ein großer Fehler. „Ich finde es daher ungünstig, dass die neue deutsche Entwicklungshilfeorganisation GIZ ausschließlich Männer in ihrem Vorstand sitzen hat“, äußerte er sich kritisch. Außerdem müsse die Resolution 1325 der Vereinten Nationen, die eine Beteiligung von Frauen am Friedensprozess vorsieht, endlich umgesetzt werden. Auf die Frage, ob er als einzelner Abgeordneter politisch etwas bewegen könnte, zeigte sich Kekeritz optimistisch. Mit dem Druck durch Partei und NGOs seien schon oft Pläne aus Niebels Giftschrank zu Fall gebracht worden.
Dass Politik etwas bewirken kann und vor allem, dass Frauen – und Genderpolitik sehr viele Facetten hat, diesen Eindruck haben alle TeilnehmerInnen mitgenommen. Auch klar ist: Drei Tage Diskussion reichen für dieses Thema noch lange nicht aus. Wir denken aber, dass wir einen guten Anstoß für eine weitere Auseinandersetzung damit liefern konnten.
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