- Begrüßung durch Vertreter von GRÜNEN-Stadtratsfraktion und Kreisverband Fürth (von links: Waltraud Galaske, Harald Riedel, Barbara Fuchs, Kamran Salimi)
- Dr. Anton Hofreiter hielt einen hochinteressanten Vortrag und beantwortete Fragen sympathisch und klar mit viel Sachverstand
- Toni Hofreiter spricht vor gut gefülltem Saal zu TTIP & CETA
19. Juli 2016 – Auf Einladung der Fürther GRÜNEN sprach Toni Hofreiter über die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Über 120 interessierte Zuhörer*innen waren trotz des fantastischen Biergarten-Wetters in die Freibank am Waagplatz gekommen, die daher wirklich proppenvoll war – ein klares Zeichen dafür, dass das Thema brandaktuell ist und bei vielen Bürger*innen Informationsbedarf besteht.
In dem Vortrag ging es um die geplanten Freihandelsabkommen CETA (mit Kanada) und TTIP (mit den USA) und die laufende Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren gegen CETA. Die Tatsache, dass Verträge zwischen demokratischen Staaten einer derartigen Geheimhaltung unterworfen werden, wie es bei TTIP der Fall ist, bezeichnete Hofreiter zu Beginn seines Vortrags als absurd. Er gehört als Bundestagsabgeordneter zu den wenigen, die das Recht hatten, die Vertragstexte in einem abgeschlossenen Raum unter extremen Geheimhaltungsauflagen einzusehen. Nicht einmal seine Mitarbeiter darf er über den Inhalt informieren. Ob die im Mai von Greenpeace veröffentlichten Dokumente mit dem übereinstimmen, was er im abgeschirmten Leseraum gesehen hat, darf er ebenfalls weder bestätigen noch dementieren. In seinen Ausführungen bezog er sich daher auf die von Greenpeace veröffentlichten Dokumente. Kopien dieser Dokumente waren für die Fürther*innen am vergangenen Wochenende auch in einem öffentlichen Leseraum einsehbar, den die GRÜNEN Fürth im Rahmen der Unterschriftensammlung gegen CETA in der Fußgängerzone aufgebaut hatten.
Grundsätzlich sprach sich Hofreiter für Abkommen in der heutigen vernetzten Welt aus, beispielsweise zur Vereinheitlichung technischer Standards. Internationale Regelungen in Bereichen wie z.B. der öffentlichen Daseinsvorsorge (z.B. Wasserversorgung) lehnte er aber ab. Die Problematik der geplanten bilateralen Handelsabkommen sei, dass man sich in vielen Bereichen leider nicht auf den höchsten Standard einige, sondern eben auf den jeweils niedrigeren. Beide Partner müssten dadurch Qualitätsstandards senken.
Hofreiter betonte, dass es nicht darum ginge, die US-Standards abzulehnen, wie das so oft in den Medien zu lesen sei. Im Bereich der Kohlekraftwerke gelten in den USA beispielsweise Grenzwerte für den Quecksilberausstoß, die viel strenger sind als in Europa. Würde man diese Maßstäbe an deutsche Kohlekraftwerke anlegen, dann wäre nur noch ein einziges am Netz, da alle anderen den nach US-Regelungen geltenden Grenzwert überschreiten. Auch im Bereich des Finanzmarkts sei dies der Fall: Nach der Bankenkrise haben die USA ihre Finanzmarktregelungen verbessert und seien nun nicht bereit, das Niveau wieder auf das schlechtere europäische zu senken.
In seinem Vortrag konzentrierte sich der Vorsitzende der GRÜNEN-Bundestagsfraktion vor allem auf drei Problembereiche der geplanten Abkommen:
Einführung von privaten Schiedsgerichten außerhalb öffentlicher Gerichtsbarkeit.
Die öffentliche Gerichtsbarkeit bezeichnete Hofreiter als eine der größten Errungenschaften der europäischen Kultur. Durch das Einsetzen von privaten Schiedsgerichten trügen die Abkommen zur Schwächung unserer Justiz bei. Es handle sich um eine Art Paralleljustiz, die im Großen und Ganzen im Geheimen stattfindet und in der Großinvestoren einzelne Staaten verklagen können, wenn diese z.B. Gesetze erlassen, die für Investoren die Produktion oder den Verkauf bestimmter Produkte verbieten oder erschweren. Hier wären dann enorme Schadenersatzzahlungen fällig. Alles in allem ein Klageprivileg für Konzerne. Für Privatpersonen oder Verbände gibt es keine Verbesserungen gegenüber heute.
Die regulatorische Kooperation, also die Einbindung von Konzernen in die Gesetzfindung.
Wirtschaftslobbyisten erhalten das Recht, im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses auf neue Gesetze einzuwirken, und zwar bevor sie überhaupt in die nationalen Parlamente gelangen. Durch eine solche noch frühere Einbindung in die Gesetzfindung wäre der Einfluss von Konzernen in Bereichen wie Umweltschutz, Arbeitsstandards oder Verbraucherschutz enorm verstärkt.
Der Verzicht auf das europäische Vorsorgeprinzip zugunsten des US-amerikanischen Risiko- und Schadenersatzprinzips
Nach dem Vorsorgeprinzip, wie es in der EU angewendet wird, werden neue Produkte oder Verfahren verboten, wenn von ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahren für Verbraucher ausgehen. In den USA gibt es ein solches Vorsorgeprinzip nicht in europäischem Maße. Dort geht man höhere Risiken ein und ermöglicht stattdessen sehr hohe Schadenersatzklagen, wenn sich bei der Anwendung tatsächlich negative Auswirkungen zeigen. Bei den geplanten Abkommen bekämen Verbraucher – ebenso wie bei vielen Standardangleichungen – das Schlechteste aus beiden Welten. Denn das bislang in Europa geltende Vorsorgeprinzip für Konzerne wäre ausgehebelt, die in den USA üblichen hohen Schadenersatzzahlungen gibt das deutsche und europäische Recht aber nicht her. Profiteure wären auch in diesem Punkt wieder ausschließlich die großen Konzerne, Verlierer die Verbraucher.
Auch bei Exkursen zu den Themen „weitere Globalisierung der Landwirtschaft“ und „mögliche Ausschreibungspflicht im Bereich kommunaler Daseinsvorsorge“ zeigte Hofreiter die Nachteile der geplanten Abkommen anhand von eingängigen Beispielen auf. Außerdem wies er darauf hin, dass Innovationen häufig von umweltpolitisch orientierter Gesetzgebung getrieben seien (z.B. das weltweit als vorbildlich anerkannte Erneuerbare Energien Gesetz). Derartige gesetzliche Neuregelungen würden jedoch in vielen Bereichen durch die geplanten Abkommen erschwert, da sie in die bestehende Geschäftstätigkeit von Unternehmen eingreifen (z.B. in den Bereich der großen Energieversorger RWE, Vattenfall mit ihren Atom- und Kohlekraftwerken). TTIP und CETA würden sich also auf lange Sicht sogar innovationshemmend auswirken.
Resümierend fasste Toni Hofreiter zusammen: „Wir brauchen anständige, transparente, internationale Regelungen. Aber diese Verträge brauchen wir nicht!“
Dem Vortrag folgte eine Fragerunde. Die zahlreichen Fragen wurden von Dr. Toni Hofreiter sehr sympathisch, klar und mit viel Sachverstand beantwortet. Eine rundum gelungene Veranstaltung, da waren sich die Besucher*innen einig.
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