Nachhaltigkeit

Der Umgang mit dem Fürther Nachhaltigkeitsbeirat – oder „Was vom Wahlkampf übrig blieb“

28. Oktober 2020 – „Mit ‚Mut und Entschlossenheit‘ müsse man laut Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung die Herausforderungen rund um das Thema Nachhaltigkeit angehen“ – so lässt sich der OB auf der Homepage der Stadt Fürth zur Einrichtung des Nachhaltigkeitsbeirats zitieren. Das neue Gremium wurde am 23.10.2019 im Fürther Stadtrat beschlossen. Es soll den Stadtrat in Nachhaltigkeitsfragen beraten und dabei den Austausch mit der Stadtgesellschaft fördern, damit gemeinsam mit Politik und Verwaltung die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen vor Ort umgesetzt werden.

„Mut und Entschlossenheit“ – mit der Realität haben diese Worthülsen nichts zu tun, wie erneut am Montag im Verkehrsausschuss deutlich wurde. Da wurden nämlich unter TOP 11 die „Empfehlungen des Nachhaltigkeitsbeirats zur Verkehrswende“ behandelt. Es handelt sich um ein ambitioniertes 8-Punkte-Programm, das im Nachhaltigkeitsbeirat einstimmig beschlossen worden war. Doch im Verkehrsausschuss wollte die „große Koalition“ aus SPD und CSU die Empfehlungen plötzlich nicht mehr unterstützen und auch nicht mehr als städtische Zielvorgaben für Politik und Verwaltung gelten lassen – obwohl genau dies im Vorfeld der Konsens aus langen Gesprächen der drei Stadtratsfraktionen war.

„Im Nachhaltigkeitsbeirat waren in die Entstehung der ursprünglichen Fassung Beteiligte aller betroffenen Gruppen eingebunden. Die Mitglieder des Beirats kommen nicht nur aus den Bereichen Umwelt-, Klima- und Naturschutz, sondern auch aus den Feldern Soziales, Gesundheit, Jugend, Wirtschaft, Handwerk, Stadtentwicklung, Arbeitnehmervertretung, Kultur und neue Mobilität“, betont die GRÜNEN-Stadtratsfraktion.

Unter Einbeziehung aller dieser Gruppen war das Papier entstanden und einstimmig verabschiedet worden. Anschließend arbeiteten in detaillierten Verhandlungen Vertreter*innen der drei Fürther Stadtratsfraktionen über zwei Nachmittage unter Leitung des Dritten Bürgermeisters Dietmar Helm konzentriert auf eine politisch durchsetzbare Fassung des Papiers hin; die einzelnen Maßnahmen wurden dabei auf Realisierbarkeit und Umsetzungsmöglichkeiten optimiert und dabei schon teilweise abgeschwächt.

Man war sich aber fraktionsübergreifend einig: Erstens, dass man den vom Nachhaltigkeitsbeirat formulierten Zielen und Maßnahmen politische Unterstützung aussprechen will. Und zweitens, dass diese Punkte auch für Politik und Verwaltung gelten sollen – zumindest solange, bis in ein paar Jahren im Verkehrsentwicklungsplan neue Punkte formuliert werden.

„Nach gemeinsamer Abstimmung mit den drei Stadtratsfraktionen GRÜNE, SPD und CSU schien einem Beschluss im Verkehrsausschuss nichts mehr im Weg zu stehen“, schildern die GRÜNEN-Stadträt*innen ihre Eindrücke. „Doch in Fürth muss man in Sachen Klimaschutz und Mobilität eben immer mit Überraschungen rechnen und so kam es, dass sich die Fraktionen von SPD und CSU nicht mehr im Stande sahen, die selbst vereinbarten Empfehlungen im Verkehrsausschuss zu beschließen. Stattdessen konnte man sich lediglich dazu durchringen, den Beschluss des Nachhaltigkeitsbeirats „zur Kenntnis zu nehmen“, was nicht mehr heißt als „Wir haben es gelesen.“

Oberbürgermeister, SPD und CSU hatten also den mühsam errungenen Konsens stillschweigend aufgegeben. Weil sie sich nicht trauen, politische Prioritäten zu setzen und klare Ziele zu benennen, soll das Papier nun lediglich an den Verkehrsentwicklungsplan weitergeleitet werden – wo dann vielleicht in einigen Jahren ein Beschluss über verkehrspolitische Ziele fallen kann.

Eine bittere Erkenntnis für die GRÜNEN-Stadträt*innen: „Konkrete Fortschritte werden so lange von einem Gremium zum nächsten geschoben, bis sie vollends verwässert sind – und zeitlich möglichst lange aufgeschoben. Dass sich das mit der Dringlichkeit von konkreten Klimaschutzmaßnahmen beißt, ist der Stadtspitze und großen Teilen von CSU und SPD offenbar egal. Ganz offensichtlich soll die „Klimaschutzstadt Fürth“ weiterhin nur eine Worthülse bleiben.“

Doch warum schafft man extra ein Gremium, wenn man nicht vorhat, die Überlegungen und Beschlüsse desselben in konkrete Politik umzusetzen? Beim Thema „nachhaltiges Bauen und Siedlungsplanung“ für das Burgfarrnbacher Baugebiet „Westlich Magnolienweg“ wurde der Nachhaltigkeitsbeirat gar nicht erst einbezogen, sondern am Tag VOR der Sitzung eine veraltete  Standard-Siedlungsplanung wie in den 70er-Jahren verabschiedet.

So wird die Arbeit des neuen Beirats von Anfang an sabotiert: „Man dürfte sich nicht wundern, wenn die Engagierten im Nachhaltigkeitsbeirat bald aufgeben und keine Lust mehr haben, viel Zeit in Gespräche und Beratungen zu investieren, wenn die mühsam ausgearbeiteten und abgestimmten Ergebnisse dann im Papierkorb landen“, so die GRÜNEN.

– OB Jung, SPD und CSU versagen einstimmigem Beschluss des Nachhaltigkeitsbeirats zur Verkehrswende ihre Unterstützung – trotz detailgenauer Abstimmung mit allen Stadtratsfraktionen im Vorfeld
– Empfehlungen waren in umfangreicher Zusammenarbeit mit allen betroffenen Akteur*innen, Interessensverbänden und Gruppen entstanden
– Nachhaltigkeitsbeirat wird bei wichtigen Beschlüssen nicht berücksichtigt (Verkehrswende und klimagerechtes Bauen)

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