28. Juni 2020 – Einige Fürther Straßennamen ehren Personen, die sich durch ihre Unterstützung für das deutsche Kolonialreich oder das NS-Regime hervorgetan haben oder deren soziales Engagement auf Vermögen zurückgreift, das auf Diskriminierung, Raub und Mord fußt (zum Beispiel im Zuge der Arisierung). Vor zweieinhalb Jahren wurde die Schwammbergerstraße in Fürth in Bella-Rosenkranz-Straße umbenannt. Grundlage waren die umfangreichen historischen Forschungen von GRÜNEN-Stadtrat Kamran Salimi, die die Rolle von Adolf Schwammberger als Protagonist des Nazi-Regimes im polnischen Torun zweifelsfrei klärten.
Doch das kann nur der Anfang gewesen sein, finden die Stadträt*innen der GRÜNEN-Fraktion: „Die Stadt Fürth muss ihrer Verantwortung für die kollektive Erinnerung nachkommen und auch weitere Straßennamen auf den Prüfstand stellen, die nach umstrittenen Personen benannt sind. Beispielsweise Hermann Löns, einem Heimatdichter ohne jeglichen Fürth-Bezug, der zwar selbst den Nationalsozialismus nicht miterlebte, den die Nazis aber zu Propagandazwecken wegen seiner nationalistischen Schriften zum Vordenker erklärten. Beim Lesen des Lebenslaufs dieses Mannes stellt sich wirklich die Frage, ob man in einer Straße wohnen möchte, die nach ihm benannt ist.“
Weitere Fürther Straßennamen, die wegen ihres Zusammenhangs mit der NS-Ideologie überdacht werden sollten, sind beispielsweise Emil-Nolde-, Hermann-Glockner-, Richard-Wagner-Straße und die Tilsiter Straße.
Auf der anderen Seite wurden etliche Persönlichkeiten um die Ehre ihrer Mitwirkung an der Gestaltung der Fürther Stadtgesellschaft beraubt: Wie neuere Forschungen zur „Metallspende“ im Dritten Reich zeigen, wurden zahlreiche Kunstwerke, Gedenktafeln und Büsten im Stadtgebiet demontiert, um sie zu Rüstungszwecken im Zweiten Weltkrieg einzuschmelzen. Eine Form der Wiederherstellung und Restitution hat es in den wenigsten Fällen gegeben. An den früheren Standorten gibt es keinerlei Hinweise auf die der Öffentlichkeit geraubten Kunstwerke respektive dankbare Erinnerungen an die einstigen Künstler*innen und Stifter*innen.
Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht mit fatalen Folgen, wie die GRÜNEN-Stadträt*innen finden: „Durch diese Prägungen unserer städtischen Erinnerungskultur und des öffentlichen Raums entsteht für nachfolgende Generationen ein Zerrbild darüber, was Vorbilder sind. Verbrechen werden auf diese Weise vertuscht und relativiert.“
Was vor einigen Jahrzehnten als ehrwürdig galt, muss es heutzutage nicht mehr sein. Diese Debatte ist gerade wieder hochaktuell. Die „Black Lives Matter“-Bewegung hat in Folge der Tötung von George Floyd durch US-amerikanische Polizisten der Debatte um strukturellen Rassismus und tief in der Gesellschaft verankerte Protagonist*innen, die mit ihren Ideen Ungleichheit, Rassismus und Diskriminierung befeuert haben oder sich daran massiv bereichert haben, neuen Schub gegeben.
In vielen Orten in den USA wurden in den letzten Wochen Denkmäler vom Sockel gestürzt – von konföderierten Generälen, Sklavenhaltern etc. Doch das neue Bewusstsein für zu Unrecht vergebene Ehren strahlt weltweit aus: So wurde im britischen Bristol das Denkmal eines Sklavenhändlers, das dort seit 1895 zu dessen ehrendem Gedanken stand, von den Aktivist*innen in das Hafenbecken geworfen und eine lebendige Diskussion über den Umgang mit dem hochbelasteten Erbe angestoßen.
„Es ist höchste Zeit, dass wir uns auch in Fürth mit unserer städtischen Erinnerungskultur auseinandersetzen“, finden die GRÜNEN-Stadträt*innen. „Aber es soll hier nicht darum gehen, die Erinnerung an diese Persönlichkeiten auszulöschen oder Kunstwerke zu zerstören. Kriegsdenkmäler könnten beispielsweise um kommentierende Erinnerungstafeln ergänzt werden, die auch Kritik angemessen erwähnen, das Denkmal in einen größeren Zusammenhang stellen und so ein Zerrbild verhindern.“
Zur nächsten Stadtratssitzung hat die GRÜNEN-Stadtratsfraktion daher einen entsprechenden Antrag gestellt.
Mehr zur Metallspende in Fürth: https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Metallspende
– GRÜNEN-Stadtratsfraktion möchte Straßennamen in Fürth überprüfen und die Ehrung für zweifelhafte Persönlichkeiten aus dem Stadtplan entfernen
– GRÜNE wollen Übersicht über Kunstwerke in Fürth, die zusätzlicher Erklärungen bedürfen, um ein vorhandenes Zerrbild geradezurücken und auch Kritik angemessen zu erwähnen (z.B. Gedenktafeln)
– An Standorten von in der Nazi-Zeit entfernten und eingeschmolzenen Kunstwerken und Gedenktafeln sollen Hinweistafeln mit Erklärungen angebracht werden
Diese Pressemitteilung als pdf-Datei:
Antrag der GRÜNEN-Stadtratsfraktion zum Stadtrat am 22.7.2020:
Neuste Artikel
Stellenausschreibung
Der Kreisverband Fürth-Stadt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Kreisgeschäftsführung mit Öffentlichkeitsarbeit (m/w/d) Lust auf eine abwechslungsreiche und sinnstiftende Tätigkeit mit langfristiger Perspektive? In einem sehr aktiven, politisch grün-geprägten Stadtgebiet ist es möglich, die Arbeit unseres Kreisverbands konkret umzusetzen und mitzugestalten. Bei konstruktivem Arbeitsklima bieten wir Freiräume, die ein verantwortungsvolles und selbstständiges…
Fahrrad Fahrradverkehr Jugend Kinder ÖPNV Schule Schulen Schulweg Verkehr Verkehrssicherheit
Antrag: Maßnahmen gegen gefährliche Verkehrssituationen durch „Elterntaxis“
13. März 2024 – Wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren, spricht man scherzhaft von „Elterntaxis“. In den letzten Jahren hat dieses Verhalten enorm zugenommen. Zu den Stoßzeiten (ab 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn und rund um das Unterrichtsende) führt das vor vielen Schulen zu Staus, unvorhersehbaren Wendeversuchen, Parken/Halten auf dem Gehweg, in…
Drittes Reich Erinnerungskultur Geschichte Judentum Nazis NS-Regime Stadtgemeinschaft Stadtgeschichte
Antrag: Möglichkeiten zur Erinnerung an jüdische Fürther*innen vor ihren ehemaligen Wohnhäusern
11. März 2024 – „Nie wieder ist JETZT!“ steht auf vielen Transparenten bei den Demonstrationen gegen Rechts, die derzeit in deutschen Städten stattfinden – auch in Fürth. Weil rechtsradikale und antisemitische Parolen wieder lauter und präsenter werden und rechte Parteien die Demokratie aushöhlen wollen. Genau in dieser Zeit bräuchte es auch im Alltag deutlich wahrnehmbare…
Ähnliche Artikel
Drittes Reich | Erinnerungskultur | Geschichte | Judentum | Nazis | NS-Regime | Stadtgemeinschaft | Stadtgeschichte
Antrag: Möglichkeiten zur Erinnerung an jüdische Fürther*innen vor ihren ehemaligen Wohnhäusern
11. März 2024 – „Nie wieder ist JETZT!“ steht auf vielen Transparenten bei den Demonstrationen gegen Rechts, die derzeit in deutschen Städten stattfinden – auch in Fürth. Weil rechtsradikale und antisemitische Parolen wieder lauter und präsenter werden und rechte Parteien die Demokratie aushöhlen wollen. Genau in dieser Zeit bräuchte es auch im Alltag deutlich wahrnehmbare…
Frauen | Gleichstellung | Straßennamen
Antrag: Neuregelung bei der geschlechtergerechten Vergabe von Straßennamen
7. März 2022 – Nach Angaben des Stadtplanungsamts sind 241 Straßen in Fürth nach Männern benannt und lediglich 23 nach Frauen, darunter Persönlichkeiten wie Senta Josephtal, Bella Rosenkranz oder Melli Beese. Auch in jüngerer Zeit hat sich an diesem Missverhältnis nicht viel geändert. Seit 2010 wurden in 22 Fällen erneut Straßen nach Prominenten benannt: 19…
Geschichte | Nazi | Nazis | NS-Regime
Städtische Erinnerungskultur in Fürth
Einige Fürther Straßennamen ehren Personen, die sich durch ihre Unterstützung für das deutsche Kolonialreich oder das NS-Regime hervorgetan haben oder deren soziales Engagement auf Vermögen zurückgreift, das auf Diskriminierung, Raub und Mord fußt (zum Beispiel im Zuge der Arisierung). Vor zweieinhalb Jahren wurde die Schwammbergerstraße in Fürth in Bella-Rosenkranz-Straße umbenannt. Grundlage waren die umfangreichen historischen…